Der Gemeinderat kippt den Beschluss, die Herberge an uns zu verkaufen

Unter der Direktion des Samtgemeindebürgermeisters Dr. Dörsam verabschiedet der Rat in Handeloh einen neuen Beschluss, der den Verkauf der Herberge neu ausschreiben wird. Die Entwicklung war absehbar, wurde aber bislang aus Rücksicht gegenüber politischen Interessen nicht kommuniziert. Das ändern wir hiermit: Als Einstieg ein Statement, das – neben Verlautbarungen von Herrn Dr. Dörsam und Vertreter:innen des Rates – im Nordheide Wochenblatt erschienen ist.

Statement der Wander- und Begegnungsherberge Inzmühlen e.G.
Die Gemeinde Handeloh stellt sich vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise im Verkauf der Herberge neu auf

Der Gemeinderat Handeloh hat den Beschluss gekippt, die Jungendherberge an uns zu verkaufen. Die Entscheidung trifft uns nicht unerwartet, da uns die neue Mehrheit im Amt seit Antritt im Herbst zurückweisend begegnet. Sie stützt sich dabei auf kleinteilige Argumente und attestiert u.a. „fehlende finanzielle Tragfähigkeit“. Das Projekt sei nicht zu verantworten, heißt es. 

Seit zwei Jahren arbeiten wir an der Wiedereröffnung der Herberge als lebendigen naturnahen Ort. Viele Menschen aus Handeloh, der Region und aus Hamburg unterstützen uns und können die Entscheidung nicht nachvollziehen. Die folgenden Richtigstellungen soll helfen, die Arbeit des Rates transparent und Veränderung im Ort möglich zu machen.

Argument: Fehlende finanzielle Tragfähigkeit
Richtigstellung: Die Genossenschaft hat 70 Mitglieder und ist finanziell gut aufgestellt. Der Businessplan wurde vom Finanzinstitut geprüft. Kritik seitens der Gemeinde bezieht sich auf Details, die am Ende von der Bank zu bewerten sind.

Argument: Späte Eintragung der Genossenschaft 
Richtigstellung: Die Genossenschaft wurde bereits am 07.06.2021 gegründet. Der Ratsbeschluss aus dem Mai 2021 beauftragt den Bürgermeister „die Verkaufsverhandlungen mit uns zu führen und einen Kaufvertrag zu entwerfen“. Dafür ist die Eintragung der Organisation unerheblich. 

Argument: Politikwechsel in Handeloh
Richtigstellung: Wir wurden im März angehalten „alle“ Einzelheiten des Projektes noch einmal darzustellen, obwohl sich Politiker:innen an der Aktenlage orientieren können. Die Tatsache, dass der Rat sich neu konstituiert hat, wurde als Vorwand genutzt, unser Projekt neu zu bewerten. 

Argument: Flüchtlingskrise
Richtigstellung: Das Thema wurde angeführt, um unsere Tätigkeiten zu stoppen. Dabei haben wie wiederholt angeboten, sozial und wirtschaftlich eine optimale Lösung zu bieten. Nun plant die Samtgemeinde ohne ersichtlichen Bedarf die eigene Anmietung für Flüchtlinge.

Die Genossenschaft hat nicht nur Mühen sondern, seit dem Ratsbeschluss in 2021, auch finanzielle Mittel investiert. Zum Beispiel für Gutachten und Architekturplanung. Über die angefallenen Kosten muss nun verhandelt werden. 

Für uns wirkt es insgesamt bedenklich, dass die wahren Motive, die zu unserem Ausschluss geführt haben, schleierhaft bleiben. Mit Blick auf die Zukunft der Herberge lässt das nichts Gutes ahnen, da es sich um eine Problemimmobilie handelt, die nur gemeinschaftlich und mit Eigeninitiative zu erhalten ist. 

Alle Mitglieder der Genossenschaft sind enttäuscht, dass die Liegenschaft nun nicht mehr zur Verfügung steht. Stattdessen wollen Sie nun eine andere Immobilie im Landkreis erwerben. Denn es ist alles da: Budget, Expertise, Miteinander und viel Motivation.

Für Fragen und Anregungen stehen wir gerne zur Verfügung. Ihr erreicht uns unter  hallo@herberge-inzmuehlen.de

Das Abendblatt berichtet

Es werden erneut pauschal „fehlende wirtschaftliche Tragfähigkeit“ und, ziemlich absurd, „Bedenken bezüglich der Vereinbarkeit mit dem Naturschutz“ angeführt, die zu unsrem Ausschluss geführt haben sollen. Nähere Angaben werden nicht gemacht.
Abendblatt Artikel

Um der Öffentlichkeit eine Teilnahme zu ermöglichen und das Projekt ordentlich abzuwickeln, werden wir weiter verschiedene Foren nutzen, um die Kommunikation mit den Verantwortlichen transparent zu machen.

Unser Beitrag für Handeloh und die Region

Wir versuchen seit unserem ersten öffentlichen Auftritt in der Gemeinde Möglichkeiten zum Kennenlernen zu schaffen und unser Konzept persönlich vorzustellen. Hier die Punkte, die für den Ort wichtig sind:

Langfristiger Erhalt der Herberge: Wir möchten an 60 Jahre Herbergsgeschichte anknüpfen, Gebäude und Grundstück langfristig als Herberge erhalten und den Betrieb um neue, zeitgemäße Ideen erweitern. Dazu gehören aufgefrischte Räumlichkeiten aber mittelfristig auch die Einführung einer CO2-freien Energiewirtschaft.

Nachhaltiger Tourismus mit Augenmaß: Wir möchten neue Zielgruppen für Handeloh und die Lüneburger Heide begeistern – aber nicht auf Kosten von Anwohnenden und Natur. Geplant sind 75 statt ehedem bis zu 200 Betten. Eine Anreise ohne Auto, mit dem Rad oder zu Fuß wird gefördert. Die Herberge wird kein Gastro-Hotspot. Unser „100 Teller-Prinzip” limitiert unser Angebot. 

Friedhofskapelle in Handeloh © Frank Merla

Offener Ort für alle – mit spannenden Angeboten: Übernachtungen stehen im Zentrum, doch neben dem Herbergsbetrieb sollen auch mit und für Interessierte aus der Region nachhaltigkeitsorientierte Angebote entwickelt werden. Radtouren, Co-Working, Kräuterkunde. Vieles ist denkbar und unsere Tore stehen offen.

Wegweiser bei Handeloh © Frank Merla

Regionale Wirtschaft stärken: Der Herbergsbetrieb kann Einzelhandel und ÖPNV beleben und den Bekanntheitsgrad des Ortes erhöhen. Die Herberge schafft Arbeitsplätze und im Betrieb möchten wir eng mit Lieferanten und Partnern aus der Region zusammenarbeiten.

Dat ole Bahnhus, Handeloh © Frank Merla

Gemeinwohlorientierter Betrieb statt Profit: Im Projekt geht es nicht um Gewinnmaximierung. Erwirtschaftete Gewinne werden wieder in Sanierung und Angebot gesteckt. Nicht ein Großinvestor, sondern eine regional und lokal verwurzelte Genossenschaft betreibt die Herberge.

Hallo Inzmühlen! Hallo Handeloh! Wir sind so weit!

Der planmäßige Ankauf der Jugendherberge steht kurz bevor. Auch wenn die Immobilie zunächst als Flüchtlingsunterkunft genutzt werden sollte – wir möchten nun die Menschen vor Ort kennenlernen. Uns weiteren Bewohner:innen vorstellen, ins Gespräch kommen und für unser Projekt begeistern.


Seit Beginn 2021 treffen sich Mitglieder der Genossenschaft wöchentlich auf Zoom.


Rückblick: Wir entwickeln das Projekt nun schon viele Monate im engen Austausch mit der Gemeinde. Wiederholt haben wir Gelegenheit gegeben, unser Konzept kennenzulernen. In öffentlicher Ratssitzung und direkt vor Ort. So auch im Mai 2021, wo wir uns gegen zwei Mitbewerber durchgesetzt haben. Es folgte ein Ratsbeschluss, in dem wir als priorisierter Partner in die Kaufverhandlungen einsteigen sollten, um die Liegenschaft zu erwerben und wieder als Herberge zu betreiben. Somit dem Wunsch zu entsprechen, der seit der Schließung in 2014 und zuletzt auch vom örtlichen Bürgerverkehrsverein vertreten wurde. Dieses Ziel fest im Blick sind wir viele notwendige Schritte erfolgreich gegangen: 

  • Wir haben eine Genossenschaft gegründet, die „Wander- und Begegnungsherberge e.G.” ist inzwischen geprüft liegt dem Gericht in Tostedt zur Eintragung vor. 
  • Wir sind auf 60 Mitglieder angewachsen und haben Strukturen der Zusammenarbeit etabliert. Ehrenamtlich arbeiten rund 30 Personen in Teams wie Koordination, Marketing, Einrichtung, Immobilie und Freiraum zusammen.
  • Wir haben Eigenkapital gesammelt und eine Finanzierungszusage der Bank für das für Ausbau und Betrieb notwendige Kreditvolumen.
  • Gemeinsam mit den asdfg-Architekten wurden Pläne für das gesamte Gebäude neu gezeichnet, das Außengelände kartiert und Nutzungskonzepte erarbeitet, die nun dem Bauamt als Antrag für eine Wiederaufnahme der Nutzung als Herberge vorliegen.

    Jetzt sind wir so weit. Sowohl der Wochenblatt als auch das Hamburger Abendblatt haben es berichtet.

Wir möchten helfen

Natürlich beobachten wir mit Schrecken, was in der Ukraine passiert, und wähnen uns schon jetzt mit verantwortlich, die Herberge alsbald für Flüchtlinge anbieten zu können. Wie genau das in der Gemengelage aus Ankauf, Nutzungswiederaufnahme und Betriebsbeginn organisiert werden kann, ist jetzt zusätzliche Motivation im Austausch mit allen Beteiligten.

Cecile und Anna bei der Öffentlichkeitsarbeit © Antje Sauer

In den nächsten zwei Wochen haben wir Termine mit Bank, Bauamt, Brandschutz und den Verkäufern, also den Vertretern von Samtgemeinde und Gemeinde. Es kommt nun darauf an, dass alle an einem Strang ziehen. Wir werden berichten.

Barbara, Harriet und Gunter – der schon 2016-2018 im Hause gearbeitet hat. © Antje Sauer


Die Bilder sind während unserer dritten Klausur Anfang Februar entstanden. An einem verlängerten Wochenende haben wir alle aktuellen Themen besprochen und uns endlich in Teams sortiert, die nun eigenständig arbeiten.

Wir haben einen Plan

Zusammen mit asdfg Architekten arbeiten wir am Bauantrag für die Wiederaufnahme der Nutzung der Liegenschaft als Herberge. Die Krux: Während hier 2015-2018 Geflüchtete untergebracht waren, wurden für den Brandschutz Baumaßnahmen durchgeführt, die nicht beim Bauamt dokumentiert sind. Die müssen wir jetzt nacharbeiten und zudem noch einmal neuen Bestimmungen genügen.

2015-2018 wohnten in der Herberge ‚alleinreisende‘ männliche Geflüchtete
Seither gibt es außen installierte Fluchttreppen – nicht schön, aber erforderlich.


Zu der Planung gehört auch ein Entwurf für den Außenraum. Hier gilt es Natur und Nutzung gut miteinander abzustimmen. Zum Thema Freiraum, Ökologie und Selbstversorgung gibt es noch weit mehr zu erzählen. Das machen wir in einem der nächsten Posts.

Unsere Werte

Auf unserer ersten Klausur im Juli 2021 haben wir unsere Werte LIEBE – VERTRAUEN – VERANTWORTUNG – GEMEINSCHAFT – AUSTAUSCH ausgewählt und ausformuliert. Das ging erstaunlich einfach. Und zwar so:

Erstens:
Sammeln von Werten

Einzelne Werte und Wünsche wurden von allen in beliebiger Anzahl notiert und im Austausch zusammengetragen.

Gemeinsam wurde überlegt, welche Werte noch fehlten, um das Tableau zur Vollständigkeit zu ergänzen.

Zweitens:
Clustern der Werte

Dann wurden die Werte gruppiert, die die selbe Kernaussage haben. Für jedes Cluster wurde ein Titel-Wert bestimmt.

Abschließend hat je eine Person einen Wert als Pat:in übernommen.

Drittens: Ausformulieren und Priorisieren der Werte

In Kleingruppen wurden je Wert mit Begriffen aus dem Cluster 2-3 Sätze ausformuliert, in der Gruppe vorgetragen und nachgeschärft.

Zum Schluss wurde gemeinsam eine Reihenfolge für die Werte bestimmt.

1. Liebe

“Liebe bedeutet für uns den achtsamen Umgang mit uns, unseren Gästen und unserer Umgebung. Wir denken und handeln mit Freude bis ins Detail.“

2. Vertrauen

“Dinge anders zu machen bedeutet für uns, ihnen Zeit zu geben, auch mal vom Plan abzuweichen und Irritationen auszuhalten. Dieses Vertrauen wird durch Zuversicht, Mut und Transparenz gelebt.“

3. Verantwortung

“Verantwortung übernehmen und geben wir. Nachhaltigkeit und soziale Orientierung sind Ausrichtung unserer Gemeinschaft.“

4. Gemeinschaft

Gemeinsam bedeutet für uns Interessen zu leben und Ergebnisse zu teilen. In unserer Gemeinschaft achten wir alle aufeinander.“

5. Austausch

„Austausch bringt und hält uns zusammen. Wir begegnen uns ehrlich und sind alle offen für alle. Wissend: Bunt ist die schönste Farbe.“

Als wir das erste Mal jubeln durften

Im Mai haben wir das Projekt „Wander- und Begegnungsherberge Inzmühlen“ den Bürgern und Politikern der Gemeinde vorgestellt. Im Pitch gegen zwei Mitbewerbende. Drei Tage später stand das Ergebnis fest, und wir lagen uns alle (virtuell) in den Armen.


Die lokale Presse berichtete:

bim. Handeloh. Ein buddhistisches Zurückziehungszentrum, eine genossenschaftlich getragene Begegnungs- und Wanderherberge oder eine kollektiv organisierte Jugend- und Erholungsstätte – neun Interessenten an der Jugendherberge in Handeloh-Inzmühlen stellten am Samstag Anwohnern und Interessierten ihre drei Konzepte für die künftige Herbergsnutzung vor. Der Gemeinderat legte am Montagabend eine Priorisierung fest, am wahrscheinlichsten ist demnach der Zuschlag für die Wanderherberge. (Nordheide Wochenblatt, 18.05.2021)
https://www.kreiszeitung-wochenblatt.de/tostedt/c-politik/konzepte-fuer-die-jugendherberge-handeloh-vorgestellt-anwohner-haben-bedenken_a201475#gallery=null